20.04.2022 | Eugen Klein und Eugen Dribas leisten Großartiges. Die IG Metall Neuwied dankt ihnen ganz herzlich. Seit zwei Monaten herrscht Krieg in der Ukraine. Uns alle verfolgen die schrecklichen Bilder, die wir täglich in den Medien sehen. Wir sind zutiefst erschüttert von dem unvorstellbaren Leid der Menschen und verurteilen den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, für den es keine Rechtfertigung gibt.
Über den Betriebsratsvorsitzenden der SPIE SAG aus Andernach haben wir von zwei seiner Kollegen, Eugen Klein und Eugen Dribas, erfahren, dass sie sich über Gebühr engagieren und keine Kosten und Mühen scheuen, um Frauen und Kinder aus dem Kriegsgebiet zu retten.
Über diese enorme Hilfsbereitschaft wollten wir gerne berichten. Silvia Vogt, Verwaltungsangestellte der IG Metall Neuwied, vereinbarte mit den beiden einen Interviewtermin. In den sehr berührenden Gesprächen stellte sich schnell heraus, dass der Platz auf unserer Lokalseite nicht ausreicht. Da wir an den Erlebnissen nichts kürzen möchten, haben wir uns dazu entschlossen, sie in voller Länge auf unsere Internetseite zu stellen.
Stellvertretend für viele Helferinnen und Helfer möchten wir die Erlebnisse unserer beiden Kollegen Eugen Klein und Eugen Dribas schildern.
Eugen Klein (42), verheiratet, zwei Kinder. Er selbst kam vor 30 Jahren als Aussiedler aus Russland.
Bei einem Familienurlaub vor fünf Jahren in Bulgarien lernten sie im Hotel eine junge Servicekraft Namens Maryna kennen. Im Laufe des Urlaubs erfuhren sie, dass sie durch diese Arbeit ihr Studium finanziert und ihre Großmutter, bei der sie aufgewachsen ist, unterstützt. Kurz vor der Rückreise beschlossen Eugen und seine Frau „wir möchten helfen und werden Maryna künftig unterstützen“. Auch nach dem Urlaub blieben sie in ständigem Kontakt. Maryna besuchte die Familie Klein mehrere Male in Deutschland und eine Freundschaft entstand. Dann kommt Corona und ein persönlicher Kontakt ist nicht mehr möglich.
Mit Kriegsbeginn im Februar veränderte sich alles und eine Zeit des Bangens um das Leben der Menschen in der Ukraine bricht an. Seitens der Familie Klein wird wieder kurzentschlossen gehandelt und gemeinsam die Entscheidung getroffen, Maryna muss in Sicherheit gebracht und ihre Flucht vorbereitet werden.
Der Plan sieht vor, dass Maryna an der polnischen Grenze von Eugen abgeholt wird. Er selbst war noch nie in der Ukraine und will die Route mit einem ortskundigen Freund besprechen. Der sagt sofort: „Ich bin dabei und fahre mit“. Gemeinsam legen sie eine Strecke von 3.006 km in 36 Stunden Fahrzeit bis zur polnischen Grenze zurück. Sie wechseln sich bei der Fahrt zwar ab, dennoch war an Schlaf nicht zu denken. Zuviel geht im Kopf herum, wie ist die Lage vor Ort, wie sieht es mit der eigenen Sicherheit aus, was erwartet uns.
Auch für Maryna war es nicht einfach von ihrem Wohnort bis zur Grenze zu kommen: In vier Tagen legte sie per Anhalter, Taxi, Bus und Zug eine Strecke von 1.500 km zurück. Dort lernt sie Natalia mit ihrer Tochter Iryna kennen. Beide sind sehr verzweifelt, da sie keine Kontaktpersonen haben und nicht wissen wie es für sie weitergehen soll. Als Eugen und sein Mitfahrer am verabredeten Platz Maryna abholen, fragen sie nach einer Mitfahrgelegenheit bis zur nächsten Sammelstelle. Dann kommt alles anders. Eugen und sein Freund treffen kurzfristig die Entscheidung, wir nehmen die beiden auch mit nach Deutschland. Die Freude und Dankbarkeit war unbeschreiblich. Endlich konnten sie dem Kriegsgeschehen entfliehen und in Sicherheit gelangen.
Die Familie von Eugen Klein wurde informiert und bereitete den Fünfen nach der langen Rückfahrt einen herzlichen Empfang. Alle drei Frauen kommen im Haus der Kleins unter. Natalia lebt mit ihrer Tochter Iryna noch in der Familie. Maryna hat zwischenzeitlich eine andere Wohnung bezogen.
Sowohl Eugen als auch seine Frau sind berufstätig. Um den beiden den Rücken für beispielsweise Behördengänge freizuhalten, kochen Natalia und Iryna und kümmern sich um den Haushalt. Auch die beiden Kinder der Familie Klein kommen super mit dem Familienzuwachs zurecht und unterstützen die Geflüchteten beispielsweise bei dem Erlernen der deutschen Sprache.
Hier sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich Helfende, die Flüchtlinge aufnehmen ihrer großen Verantwortung bewusst sein müssen. Behördengänge und finanzielle Dinge müssen geregelt werden. Ist der/die Geflüchtete traumatisiert und bedarf besonderer ärztlicher Hilfe? Auch um Kleidung muss sich gekümmert werden. Viele haben ihre Habseligkeiten nur in einem kleinen Koffer mitnehmen können. Jetzt kommt der Frühling und nur Winterkleidung ist eingepackt. Die größte Hürde ist anfangs sicherlich die Sprache.
Für Eugen und seine Familie steht fest, uns geht es gut und es war die absolut richtige Entscheidung Menschen in dieser Situation zu helfen. Das schönste Dankeschön sind die strahlenden Augen der Geflüchteten beim gemeinsamen Essen.
Eugen Dribas (43) ist in Kasachstan geboren und hat später 20 Jahre in der Ukraine gelebt. Teile seiner Familie leben auch heute noch dort.
Eugen führt seit zwei Jahren eine Fernbeziehung mit seiner Lebensgefährtin Alina, die gemeinsam mit ihrem Sohn Andrii in Charkiw in der Ukraine lebt. Als im Februar die Stadt bombardiert wird, flieht sie in Todesangst mit ihrem Sohn zu ihrer Schwester und deren zwei Kindern in einen anderen Stadtteil. Dort wartet bereits eine Freundin der Schwester mit Kind, um gemeinsam die Flucht nach Deutschland vorzubereiten.
Mit dem Zug geht es zuerst nach Ternopil 200 km vor der Grenze. Dort verbringen sie eine Nacht bei freiwilligen Helfern, die sie am nächsten Tag mit dem Bus nach Krakowez bringen. Von hier aus müssen die sieben noch einen zwölfstündigen Fußmarsch auf sich nehmen, um an die polnische Grenze zu gelangen. Hier werden sie von Eugen und seinem Bruder bereits mit PKW und Minivan erwartet. In den Sammelstellen warten viele Menschen darauf, eine Möglichkeit zur Weiterreise in Sicherheit zu finden. Eugen berichtet von dramatischen Bildern. Mehrere tausend Menschen sind notdürftig untergebracht. Schlafende Kinder liegen auf dem Boden. Es gibt viele traumatisierte Menschen, die nicht wissen wie es weitergeht.
Da noch Platz in den Fahrzeugen ist, können insgesamt acht Geflüchtete, darunter vier Kinder, nach Deutschland gerettet werden.
Bis zur Rückkehr organisieren Nachbarn bereits Betten, Lebensmittel, Hygieneartikel, Kleidung und vieles mehr. Fälschlicherweise wurde in der Gemeinde von 20 Geflüchteten ausgegangen. Der Empfang war überwältigend und hat alle tief gerührt. Das Haus war mit ukrainischen Fahnen geschmückt, der Bürgermeister war zur Begrüßung vor Ort und Kinder haben Willkommensbilder gemalt.
Viele Bürger der Gemeinde Horath haben ihre Unterstützung angeboten und es wurden sofort zwei Ferienwohnungen zur Unterbringung zur Verfügung gestellt.
Nach den Strapazen der Flucht, kommen die Geflüchteten im Haus von Eugen Dribas erst einmal zur Ruhe. Sie hören ihre Sprache und es gibt ukrainisches Essen.
Kurz nach der Rückkehr aus der Ukraine wurde eine Mutter mit ihren zwei Kindern für zwei Tage bei ihm untergebracht, bevor auch für sie eine Ferienwohnung bereitgestellt wurde.
Tage später erhält Eugen einen Anruf aus Leipzig. Dort muss eine Familie bestehend aus einer Großmutter, ihre Tochter und deren zwei Kindern abgeholt werden. Ein Auto ist vorhanden, aber kein Führerschein. Sofort sitzt Eugen im Zug. Er holt die vier ab und bringt sie zur Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (Afa) in Trier.
Tage danach wird er per SMS wieder um Hilfe gebeten. Geflüchtete suchen für zwei Tage eine Unterkunft, um dann nach Belgien weiterzufahren. Kaum sind sie abgereist kommen, weitere vier Personen. Eugen ist zwar gerade wieder auf dem Weg in die Ukraine, aber seine Lebensgefährtin kümmert sich um die Menschen. Nur gemeinsam sind solche Anforderungen zu bewältigen.
Über soziale Netzwerke nehmen immer wieder Flüchtlinge Kontakt zu Eugen auf und bitten um Hilfe. Erst kürzlich hat er acht Personen für eine Nacht aufgenommen, bevor eine Unterkunft für sie gefunden wurde.
Am 18.03. wurde Eugen Dribas gefragt, ob er mit einem Bus für 50 Personen als Dolmetscher und ortskundiger an die ukrainische Grenze fahren will. Auf dem Hinweg ist der Bus mit humanitären Hilfsmitteln vollgepackt, auf dem Rückweg ist Platz für hilfesuchende Menschen.
Am 08.04. geht es dann wieder mit zwei Bussen, beladen mit Hilfsgütern, an die ukrainische Grenze.
Die strahlenden Augen der Frauen und Kinder sind für Eugen Klein und Eugen Dribas das schönste Dankeschön. Es gibt ihnen Kraft und Mut, die Herausforderungen hier in Deutschland zu meistern. Beide sind Vorbild dafür, wie Menschen, die vor dem Krieg geflüchtet, geholfen werden kann.
Sicherlich gibt es noch viel mehr Metallerinnen und Metaller, die Geflüchteten helfen und Leben retten. An dieser Stelle möchten wir auch ihnen unser herzliches Dankeschön aussprechen.
Toll, dass es solche Menschen wie Euch gibt!